Fridays for Future: Aktivismus im Shutdown

Was tun, wenn zwei Krisen zusammen kommen?

Dauermahnwache von FFF im Juni in Bonn (Foto: Luca Samlidis)
Dauermahnwache von FFF im Juni in Bonn (Foto: Luca Samlidis)

Vor Corona war die Straße für mich als Klimaaktivist der Protestort, an dem wir zu tausenden für Klimagerechtigkeit kämpften. Und dann kam Corona. Ein Einblick in die Veränderung politischen Protests durch die Pandemie.

„Corona statt Klima“, könnte die Überschrift für die Monate seit dem Ausbruch der Corona-Pandemie sein. Seit März haben wir Klimaaktivist*innen erlebt was es heißt, wenn eine Krise in den Hintergrund gerät, weil eine andere akut wird. Komisch eigentlich – immerhin verdient ja jede Krise eine Lösung, die mit aller Kraft und gemeinsamen Bemühungen erarbeitet wird. Im Februar noch demonstrierten wir zu Zehntausenden in Hamburg anlässlich der stattfindenden Bürgerschaftswahl – danach drehte sich alles nur noch um das Virus. Das hat auch für uns einiges geändert, politischer Massenprotest war vom einen auf den anderen Tag nicht mehr möglich. Schulen und Universitäten schlossen, Besprechungen wurden abgesagt, an Demonstrationen war gar nicht mehr zu denken. Schnell mussten wir uns anpassen und Möglichkeiten finden, unserem Protest trotzdem Ausdruck zu verleihen. Das Motto: „Fight every crisis“.

Kreative Ersatzaktionen

Ich engagiere mich in Bonn, wo ein besonders starkes Organisationsteam hinter den „Fridays for Future“-Protesten steht. Gemeinsam entwickelten wir Alternativen, wie wir trotz des Demonstrationsverbots auf die Klimakrise aufmerksam machen können. Und jetzt, nach einigen Monaten mit umfassenden Corona-Schutzmaßnahmen kann ich auf viele kreative, Corona-konforme Aktionen zurückblicken.

 

So kannte man FFF-Demos bis zum Ausbruch von Corona (Foto: Fridays for Future)
So kannte man FFF-Demos bis zum Ausbruch von Corona (Foto: Fridays for Future)

Keine Demonstration mit tausenden, dafür ein Livestream mit Beiträgen aus ganz Deutschland. So sah der globale Streiktag am 24. April aus, unterstützt durch viele tausend Plakate direkt vor dem Reichstagsgebäude in Berlin. Nachdem am 20. September bundesweit noch 1,4 Millionen Menschen unter dem Motto „Alle fürs Klima“ demonstrierten, war der neue Onlineprotest zunächst ungewohnt. Und doch haben wir das Beste aus der Situation gemacht. Nicht nur durch den Livestream, auch durch kleinere Aktionen auf Abstand und virtuelle Pressekonferenzen, zum Beispiel bei der Präsentation unserer Lokalforderungen, waren wir dauerhaft präsent. Eine der Aktionen ist mir besonders in Erinnerung geblieben: Drei ganze Tage und zwei Nächte hat eine kleine Gruppe von Aktivist*innen auf einem zentralen Platz in der Innenstadt campend verbracht. Eine „Dauermahnwache“ wird so etwas genannt. Natürlich unter Einhaltung der Corona-Schutzbedingungen. Es zeigt sich: Kreativität zahlt sich auch im Protest aus. Und auch kleine Aktionen bedeuten einen Schritt weiter auf dem Weg zur Lösung der Klimakrise.

Besprechungen jetzt online

Auch die wöchentliche Besprechung des Teams mussten ins Netz verlegt werden. Es stellte sich als ein schwieriges Unterfangen heraus, die richtige Plattform zu finden – aber am Ende stand der Kompromiss. Einmal wöchentlich behielten wir unser sogenanntes „Plenum“ bei. Die neue Arbeitsumgebung war zunächst ungewohnt, aber wir arrangierten uns damit. Immerhin haben wir für die Lösung der Klimakrise zu kämpfen!


Verstärkte Bildungsarbeit, interne Skillsharings und Strategiefragen zu klären war außerdem ohnehin überfällig. Diese Zeit haben wir uns zu Beginn genommen, mal erfolgreicher und mal weniger erfolgreich. Denn bei allen guten theoretischen Ansätzen hat die Pandemie uns die Arbeit nicht gerade leicht gemacht – mehr Zeit zu haben, ist nicht alles.

Sozial-ökologischer Neuaufbau

Dass der Schutz vor der weiteren Ausbreitung des Corona-Virus eine besondere Priorität haben muss, ist eindeutig. Immerhin geht es dabei um die unmittelbare Rettung von Menschen vor teils tödlichen Folgen. Vergessen werden darf die „Zeit danach“ trotzdem nicht. Corona hat die Wirtschaft weltweit in eine Rezession geführt, mit fatalen Folgen für viele, besonders ärmere, Menschen. Der Neuaufbau der Wirtschaft kann jetzt auch eine Chance sein. Eine Chance für soziale und ökologische Schwerpunkte, die die Weichen für die nächsten Jahrzehnte stellen.
Konjunkturpaket enttäuschend

Die Chance, die Abschwächung der zwei Krisen zumindest teilweise miteinander zu verbinden, wurde bisher allerdings vertan. Das Konjunkturpaket löst das Klimaproblem nicht ansatzweise – hier wäre viel mehr möglich gewesen. Enttäuschend – aber es ist noch nicht zu spät. Auch im Shutdown kämpfen wir weiter, denn am Ende verdient jede Krise eine Lösung. Um unser aller Willen.

 

Luca Samlidis (Foto: Fridays for Future)
Luca Samlidis (Foto: Fridays for Future)

Angaben zum Autor:


Hallo! Ich heiße Luca, bin 20 Jahre alt und wohne in Bonn in NRW. Ich engagiere mich gerade intensiv als Teil von „Fridays for Future“.


Ehrenamtliches Engagement, Fortschritt in der Uni und Privates lassen sich manchmal schwierig unter einen Hut bringen. Das merke ich gerade ganz besonders, freue mich aber auf die vielen sonnigen Tage, die uns im Sommer erwarten.

Die Situation rund um die Pandemie – vor allem, wenn man in die USA oder ähnlich betroffene Staaten blickt – macht mir wirklich Sorgen. Aber auch mein Alltag hat sich wesentlich geändert. Es gab eine lange Zeit keine persönlichen Meetings und Konferenzen, meine gesamten Bürotätigkeiten wurden auf Homeoffice umgelagert, die Uni ist geschlossen. Mittlerweile geht es diesbezüglich wieder aufwärts – auch wenn wir weiter nur hoffen können, dass es uns eine zweite Welle erspart bleibt. Politische Arbeit und Proteste erschwert die Pandemie immens – für mich als Klimagerechtigkeitsaktivist bedeutet das: mehr Präsenz im Netz und mehr Strategiearbeit.

Ich hoffe, dass wir die Pandemie in einem Jahr weitgehend überstanden haben. Wichtig ist, dass wir dann nicht zurückkehren zur „alten Normalität“ sondern die Chance nutzen, die Erneuerung bietet. Ökologisch, sozial und persönlich.

Es ärgert mich, dass bei der Lösung der Corona-Krise häufig die Menschen vergessen werden, die sich am wenigsten selbst schützen können. Obdachlose und Geflüchtete zu tausenden in Lagern auf griechischen Inseln beispielsweise. Hier zeigt sich, dass unser System dringend reformbedürftig ist. Hier sehe ich den größten Unterschied im Umgang mit der Krise.

Die Sichtbarkeit für uns Jugendliche und junge Erwachsene, die sich klimaaktivistisch einsetzen, ist in den letzten Monaten gesunken. Vordergründig ist das den täglichen Neuigkeiten zur Pandemie geschuldet. Aber nicht nur Aktivist*innen, sondern auch Jugendliche und junge Erwachsene insgesamt hatten es in der Pandemie schwer. Ich finde, hier hätte es mehr Auffangmöglichkeiten geben müssen, auch wenn ich beeindruckt davon bin, wie Jugendzentren und Weitere es geschafft haben, kurzfristig Alternativprogramme auf die Beine zu stellen.

Die Krise hat Gutes und Schlechtes hervorgebracht. Ich hoffe, wir können Gutes jetzt bewahren und Schlechtes zum Guten verändern. Nutzen wir die Chance!

Text: Luca Samlidis
3. Juli 2020